evening watch

Wir hatten alles gut vorbereitet für unseren Trip nach Sønderburg dieses Wochenende, hatten gefriergetrocknetes Essen eingepackt da wir mit dem Zug anreisen, würden im Zug bereits ein wenig vorschlafen, würden scaprat direkt nachts noch nach Schilksee verholen um dann nach einigen wenigen Stunden Schlaf abzulegen und hatten uns ein grobes System überlegt wie wir abwechselnd mal unter Deck ein wenig würden ausruhen können – immerhin hatte sich die letzten Male jedesmal die Flaute über uns gelegt und alle Pläne zunichte gemacht. Dieses Mal wollten wir vorbereitet sein.

Hier ist was geschah:

Hinreise
10.10. 21:23: Es ist aussichtslos, keine Chance zu schlafen. Ich bin müde, kann aber einfach nicht einschlafen, der Plan scaprat nach Schilksee zu verholen ist gestorben, ich beschliesse direkt mit Ziel Sønderburg abzulegen.

11.10. 01:10: Ankunft im Hafen, unser Proviant besteht aus 4 McDo-Cheeseburgern, diversen gefriergetrockneten Mahlzeiten, etwas Obst, 6 Snickers sowie etwas Wasser und Apfelschorle die wir noch an der Tankstelle gekauft haben. Tanken, Tee kochen, Segel stauen, umziehen steht auf dem Programm.

11.10. 02:40: Leinen los, in vollem Ölzeug legen wir bei klarem Himmel und 8kn Wind aus SW ab, vorm KYC wird das Groß gesetzt dann Kurs Nord, raus aus der Förde.Ab dem Leuchtturm setzen wir den großen Spi doch ich bin unzufrieden. Er steht viel zu bauchig und kann ihn auch nicht voll setzen, alle Trimmversuche sind vergebens, wir laufen trotzdem 7-8 Knoten. Die Berufsschifffahrt weicht uns derweil auffällig deutlich aus – halten uns wohl für entweder hackenvoll oder total übergeschnappt Samstag früh um halb vier unter Spi segeln zu gehen.

11.10. 03:50: Wir müssen höher ran, zu hoch für den Spi. Beim bergen gibt’s Probleme, will erst nicht runterkommen – Knoten im Fall, aha! Daher die Probleme beim Setzen. Interessanterweise ist der Knoten aber kein Tüddelkram sondern richtig ordentlich mit Durchstecken – war da ein Spaßvogel am Werk? Egal.
Gennaker gesetzt, Kurs Stollergrund.
Noch immer ein super Sternenhimmel, der Wind nimmt zu auf 15 Knoten, wir stecken das erste Reff ins Groß und setzen den Gennaker. Kaum ist das Tuch oben und die Segel durchgetrimmt zieht sich der Himmel zu,  nimmt der Wind auf 20 Knoten AW zu, noch immer SW, d.h. so gut wie keine Welle.

scaprat setzt jede Bö brav in Vortrieb um, Marten ist nur mit dem Gennaker-Trimm beschäftigt, ich gehe Ruder – wir machen dauerhaft 9-11 Knoten, mit 13-14 Knoten in den Spitzen schrammen wir am Sperrgebiet vor Damp vorbei den Blick immer abwechselnd auf die Logge und das Kielwasser in dem sich die Gischt und die Spuren der Ruder in hellem Grün (dank Meeresleuchten) abzeichnen. Unsere ETA in Sønderburg schmilzt dahin, wir verpflegen uns mit Snickers und Tee, müde ist komischerweise keiner – das Schlafsystem wird ebenfalls ad acta gelegt.

11.10. 06:30: Der Wind nimmt leicht auf 15kn ab, gleichzeitig müssen wir höher ran. Zunächst barbern wir noch den Gennaker und trimmen ihn als Genua dicht – eine Weile funktioniert das noch, Höhe Kalkgrund kommt der Gennaker weg und die Fock geht hoch. Ergebnis: Weniger Krängung und gleiche Speed.

11.10. 09:15: Wir drehen unsere Runden im Stadthafen von Sønderburg, der halbe Hafen ist mit Segelbooten der Marineschule belegt (nach 9 Uhr noch im Hafen! die Marine war auch mal anders) doch wir finden eine Lücke und machen fest. Nach 6:40 Stunden sind wir angekommen und sind somit einen Schnitt von ungefähr 6,9 Knoten gefahren, es waren einige der besten Segelstunden meines Lebens.
Zufrieden hauen wir uns in die Kojen.

Sønderburg
Nach dem Aufwachen verwöhnen wir uns mit einer Dose Mockturtle (mit extra Bockwursteinlage) von der uns beiden etwas flau im Magen wird und verproviantieren uns dann im lokalen Supermarkt mit Anlegebier, Wasser und Plastikgabeln (ach ja, das Besteck habe ich offensichtlich letztes Mal mit von Bord genommen, genauso wie die Nationalflagge) dann geht’s ab ins Internetcafé (Marke Extra-eklig mit fettigen Tischen und speckigen Tastaturen) um unsere virtuellen Volvo Ocean Racer (chris: “scaprat”, marten: “B cell”) mit rund 4stündiger Verspätung auf die Reise zu schicken.
Noch ein Schläfchen, dann um 20 Uhr zum Essen in einem Tapas-Laden. Die Tapas waren zugegebenermaßen etwas anders als erwartet (Scampi, Jakobsmuscheln) und somit auch etwas teurer aber durchaus ihr Geld wert. Um 23 Uhr in die Koje.

Rückweg
12.10. 03:25: Aufstehen, anziehen, Tee kochen, ablegen. Die Wettervorhersage hat SW4-5 in Böen 6 leicht westdrehend vorausgesagt. Wir starten mit einem Reff bei 14 Knoten aus SW, bedeckter Himmel, feiner Nieselregen, Sicht ca. 1/2 Seemeile – bis auf den Wind sollte sich am Wetter den Tag lang auch nichts mehr ändern.
Der Gennaker geht direkt hoch, wir machen zwischen 7-8 Knoten Fahrt, ich gehe für 45 Minuten in die Koje. Als ich aufwache haben wir ca. 6-8 Knoten Wind und fahren noch 5kn, das Reff kommt raus, Marten geht in die Koje. Kaum ist er unter Deck springt die Windanzeige stufenweise wieder auf 14 Knoten hoch, zu viel für volles Groß und Gennaker, ich reffe wieder ein doch der Wind nimmt weiter zu auf 17-18kn, dazu gesellt sich eine kurze Hackwelle. Eine Weile ist das ok, dann geht die Fock hoch und der Gennaker kommt weg.

12.10. 09:30: Südlich des Speergebiets Damp treffen wir auf eine Schar winziger Schiffe mit Anglern, das Kopfschütteln über deren Blödheit am Sonntag morgen freiwillig bei so einem Schietwetter draussen zu sein verflüchtigt sich schnell, wir sind ja eigentlich genauso dämlich. Die Sicht wird seewärts zunehmend schlechter, am Eingang der Strander Bucht fährt uns beinahe ein Feeder über den Haufen (danke nochmal “WMS Groningen”) der netterweise das Fahrwasser abgekürzt hat und mit geschätzten 20 Knoten unbeirrt auf uns zufährt, mit zwei Wenden lösen wir das Problem und ich kann mich noch bremsen per Funk ein paar Komplimente zu übermitteln.

12.10. 11:30: Wir können die Höhe nicht fahren um einen Anlieger in die Förde zu kriegen und im Fahrwasser zu kreuzen ist mir bei der Sicht zu blöd, wir packen die Segel ein und motoren am Tonnenstrich entlang.
Als uns auf halbem Weg mein mir persönlich unbekannter Stegnachbar mit der Ragtime unter Spi entgegenkommt schäme ich mich fast unter Motor unterwegs zu sein.
Höhe Stickenhörn endet dann ein kurzer Segelversuch an der Richtung und Stärke des stark abnehmenden Windes und wir motoren den Rest, gegen 12:50 Uhr sind wir in Dietrichsdorf fest.

Was soll man sagen? Es war ein Wochenende mit wenig Schlaf, durchschnittlichem Wetter, schlechter Verpflegung aber jeder Menge Segelspaß.
Wie brüllte mir Marten beim Gennaker-Ritt entgegen: “Was hast du dir für ein geiles Schiff gekauft”.

Ich glaube das trifft’s.


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