Logbuch vom 22.09.2015

2015-09-22
Zum einjährigen Jubiläum meiner Mini Transat Teilnahme 2015 veröffentliche ich hier jeweils exakt ein Jahr danach die jeweiligen Logbucheinträge.

Vierter Tag der 1. Etappe, dem 22.09.2015:

Wir befinden uns am Ausgang der Bucht von Biskaya und halten auf die Nordwestspitze der iberischen Halbinsel zu, das Kap Finisterre.
Dieser Tag ist mir in Erinnerung geblieben weil ich selten in meinem Leben so viele Segelwechsel an einem Tag durchgeführt habe wie an diesem. Spannend war auch dass je näher man dem Land kam, von allen Seiten wieder Teilnehmer zu sehen waren. Erst heute wenn ich wieder daran denke fällt mir ein dass die Küste aus der Ferne so gut aussah dass ich mir damals vornahm da unbedingt noch mal hinzufahren und mir das im Detail anzusehen.
Doch ich bin froh dass ich nicht, wie einige meiner Konkurrenten, die Nordküste Spaniens anlaufen musste um Reparaturen durchzuführen oder sogar aufzugeben.
Erst jetzt beim Lesen der Logbucheinträge fällt mir auf dass ich für diesen Morgen um 4 Uhr den Durchgang der zweiten Kaltfront notiert hatte, das hatte ich am Vortag allerdings auch schon. Ob es am Ende dann tatsächlich drei Kaltfronten waren die da über uns hinweg zogen oder ob ich mich am Vortag einfach getäuscht habe ist heute schwer zu sagen.
Dieser und der folgende Tag sollten aber auf jeden Fall die schwierigsten der ersten Etappe werden denn die Küste von Spanien und Portugal sollte ihrem Ruf von starken Winden und großen Wellen gerecht werden.

00:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
NW 15kn 2m 7/8 Sc 1016.6 N44°52.0 / W007°57.8 Groß + Solent 225 5.6kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
0000: sehr böiger Wind jeweils unter Wolken, nix auf dem AIS – funktioniert das noch!?!?
0100: 1. Reff ins Groß, Major Fuckup mit den Winschen gehabt: Überläufer auf der Stb-Winsch. Beim Versuch zu klarieren, Überläufer auch auf der Main-Winsch. Das waren 20 Minuten die ich auch anders hätte verbringen können. Jetzt aber alles klariert.

03:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
W 17-20kn 2m 8/8 ? 1016.1 N44°35.4 / W008°15.1 Groß(-) + Solent 206 6.6kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
03:00 Pilot hat eben Crash-Tacked (Anm.: das ist eine unbeabsichtigte Wende) – fahre jetzt im AWA Mode (Anm.: der Pilot lief vorher noch wegen der Starken Wellen im Compass-Modus, jetzt läuft er im Apparent-Wind-Modus und steuert dem Wind hinterher).
04:00 Wind sehr böig bis 30kn aus SW, aktuelle Besegelung: Groß(–) + Solent(-) (Anm. diese Notation bedeutet 2 Reffs im Groß und 1 Reff im Solent=Vorsegel). Erneuter Frontdurchgang wie es aussieht.

06:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
NW 22kn 2.5m 7/8 ? 1016.3 N44°38.7 / W008°29.3 Groß(-) + Solent 225 6.7kn

Ein kleines Video aus den frühen Morgenstunden, da war die harte Nacht vorbei und der Tag (noch) in Ordnung:

Bemerkungen aus dem Logbuch:
1400: eben hat mich ein Mini nur unter gerefftem Groß und gereffter Fock passiert der nach Osten in Richtung Küste abläuft. Niemand an Deck. Habe versucht ihn per VHF zu rufen, aber keine Antwort. Segelnummer im Gegenlicht nicht erkennbar, sah aus wie ein Proto.
1750: Keine Einträge seit vormittag, zu viel zu tun! Die letzte Nacht war hart. Man musste eigentlich die ganze Zeit von Hand steuern order untertakelt segeln weil so brutale Böen eingesetzt haben. Dazu eine mittlerweile beeindruckende See von ca. 3m die aus W läuft.
Habe seit 8 Uhr erst nach und ausgerefft, dann Code5 gesetzt, dann zu spitz: auf Groß und Solent zurück gewechselt. Zwischenzeitig in Böenschauern gerefft, dann fast Flaute, dann Code0+volles Groß, dann Böenwalze und 30kn: 2 Reffs im Groß und Reff im Solent, nach 10 Minuten ist der Spuk vorbei und ich setze alles wieder, 40 minuten später wieder Böenwalze, so geht es mehrere Male. Jetzt seit ca. 1700 Uhr volles Groß und großer Spi und wir scheinen untertakelt, gegen die Welle anzukommen ist hart.
Habe eben Nikki und Andy auf dem Funk gehört aber nur “Code0” verstanden.

18:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
N 5kn 3m 7/8 ? 1019.4 N43°19.2 / W009°28.6 Groß + Big Spi 218 5.7kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
1800: Gummistropps am Bugspriet sind defekt, Bugspriet zeigt Tendenzen nach unten wegzuklappen. Habe die Gummistropps von den Backstagen losgeschnitten und eine Reparatur vorgenommen. Bin jetzt klitschnass (hätte den Trockenanzug anziehen sollen) aber der Bugspriet sieht ok aus.
Vincent hat eben 200m vor mir passiert, fuhr unter Code0 in Richtung Spanien obwohl uns der andere Bug schon unter Spi nach Süden bringt. Kam kurz danach an Deck gehechtet und setzt jetzt auch Spi.
1900: Wegpunkt auch Ost-Kante des TSS (Anm. Traffic Separation Scheme = Verkehrstrennungsgebiet vor dem Cap Finisterre, für uns eine “verbotene Zone”) gelegt.

21:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
N 10kn 2m 8/8 Sc 1020.4 N43°03.3 / W009°38.5 Groß + Big Spi 206 6.4kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
Das Barometer macht aber auch einen guten Flug seit gestern…
2300: Habe eben bei einfallendem und dann füllendem Spi die Spischot volle Kanne gegen das Auge und die Stirn geschlagen bekommen als ich in Lee eine Leine klarieren wollte. Versuche anhand von Fotos zu sehen ob ich verletzt bin. Scheint gut gegangen zu sein, nur geschwollen. Bin aber ein wenig durch den Wind. Kein Schwindel o.ä., nehme Ibuprofen (200mg) – mal gucken.
Victor segelt höher als ich und fährt hinter mir eine Halse nach der anderen und holt ordentlich auf, ich sollte das auch machen, fahre aber Tiefe um ohne Halse um das TSS herum zu kommen. Andrea (Fornaro) macht’s genauso – fährt in meinem Kielwasser. Bin platt aber froh gleich das Kap Finisterre hinter uns zu haben.

Etmal: 153sm

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