Logbuch vom 23.09.2015

Tracker 23.09.2015
Zum einjährigen Jubiläum meiner Mini Transat Teilnahme 2015 veröffentliche ich hier jeweils exakt ein Jahr danach die jeweiligen Logbucheinträge.

Fünfter Tag der 1. Etappe, der 23.09.2015:

In der Nacht haben wir die Nordwestspitze Spaniens passiert und nehmen nun mehr oder weniger direkt Kurs auf die Kanarischen Inseln. Vor der portugiesischen Küsten liegt noch ein Verkehrstrennungsgebiet welches für uns Rennteilnehmer eine Art Verbotene Zone darstellt, ansonsten gibt es keine weiteren Rennmarken.
Gerade die erste Hälfte der portugiesischen Küste wurde von unserem Wetter-Trainer Christian immer wieder betont da hier zum einen eine Zone mit schwachen Winden besteht, man weiter südlich aber in der Nähe der Küste häufig eine Windbeschleunigung mitnehmen kann. Dies gilt insbesondere in Situationen wie zu dem Zeitpunkt, da westlich von uns ein gut etabliertes Azorenhoch steht dessen Südwinde vor der Küste beschleunigt werden (siehe Wetterkarte, Achtung: die weißen Isobaren sind der Bodendruck, also nicht von den Farben beeindrucken lassen).

Das ist eine Tatsache die im Laufe des Tages wichtig werden sollte, deren Umkehrschluss (je weiter Weg von der Küste desto weniger Wind) mir während des Rennens aber leider nicht einfällt.
An der geringen Anzahl von Logbucheinträgen kann man sehen dass ich kaum unter Deck war bzw. kaum Zeit hatte die Pinne allein zu lassen.

Rückblickend hätte ich mir die Halse um 19 Uhr (nachdem die Code5 geborgen war) sparen sollen. Das hätte mich von der Küste weg geführt und wie gesagt weniger Wind gebracht. Stattdessen halste ich noch mal und fuhr unter Fock wieder in Richtung Land bevor ich um 21 Uhr noch einmal offshore halste. Leider war ich zu dem Zeitpunkt so platt dass ich bis zum nächsten Morgen keinen Spi mehr setzte und das hat mich viele Meilen gekostet.
Aus Berichten von anderen – z.B. Dimitri – weiß ich dass 20sm weiter Offshore deutlich entspanntere Bedingungen waren die es erlaubten konstant mit mittlerem Spi zu fahren.

00:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
N 10kn 1m 8/8 Sc 1021.0 N42°45.5 / W009°49.5 Groß + Big Spi 209 8.8kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
0430: Wind nimmt in kurzer Zeit stark zu, steuere von Hand. Eine Wahnsinns-Welle baut sich auf.
0600: Kann kein Support boat oder anderen Mini bzgl. Positionsangabe erreichen. Wo sind alle!?
0700: Großen Spi geborgen, Medium Spi ungerefft gesetzt.
1000: Mega Sonnenschuss mit mittlerem Spi hingelegt. Beim Drop vorbereiten rutscht die Spi-Tackline mehrere Meter durch die Klemme als ich gerade die Leine aufschiesse. Meine Hand wird an der Klemme in einer Schlinge gequetscht. Kann nach zwei Minuten meine Hand befreien ohne die Leine zu zerschneiden, berge das Segel. Code5 gesetzt.

12:00

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
NNW 15 (22)kn 3.5m 1/8 Cr/Ns 1019.3 N41°29.0 / W009°36.4 Groß(–) + Code5 164 8.5kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
1200: habe das Recording des Wetterberichts angeschmissen (klares Signal), muss zurück an Deck.
1830: Code5 geborgen. Konstant mehr als 30kn, ich kann nicht mehr und hab das Gefühl das Boot bricht gleich auseinander. Alle(!!!) Wellen brechen, wir surfen die Wellen mit 14-18kn herunter und fahren dann in die nächste, haben zu wenig Auftrieb im Bug. Die Wellenkämme sind extrem steil und konfus, der Pilot kommt nicht klar. Sind eben bis zum Mast in eine Welle eingetaucht, Bugspriet, Vorschiff, alles unter Wasser verschwunden. Hätte nicht gedacht dass das Schiff das aushält. Die Halsen sind Schwerstarbeit, habe Sorge um den Mast.
Frachter um mich herum wirken wie Städte aus Stahl und absolut unbeeindruckt von den Wellen – habe mich selten mehr fehl am Platz gefühlt.
Der Wind nimmt immer mehr zu, Böen mit 38-40kn!
Spreche mehrfach am Tag mit Jaanus (787) der ebenfalls dauerhaft mehr als 30kn meldet, kann aber seine Position nicht verstehen.

19:14

Wind Seegang Bewölkung Luftdruck Position Besegelung COG SOG
NW 23 (34)kn 4m 4/8 Cn 1018.0 N40°28.9 / W009°58.9 Groß(–) + Solent(-) 154 8.1kn

Bemerkungen aus dem Logbuch:
Fahre nur mit gerefftem Großsegel und Fock immer noch 8-9kn, bin erschöpft. Versuche jetzt zu schlafen, wer weiß wie die Nacht wird.

Etmal: 186sm

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