Es ist unglaubliche fünf Wochen her seit wir an einem strahlenden Samstagmittag die Startlinie des Mini Transat überquert haben, seitdem ist viel passiert und es war viel zu viel zu tun also musste das Blog leider wieder mal drunter leiden. Aber dazu später…
Freitag Abend gehe ich nach einem Abendessen mit Freunden ins “Bett” denn die letzte Nacht werde ich bereits an Bord verbringen. Vor drei Uhr Morgens ist an Schlaf kaum zu denken denn keine 50m von mir entfernt steht das Disco-Zelt der Classe Mini Party doch irgendwie kann ich bei dem Lärm schon ganz gut dösen.
Am Samstag früh um 8 werde ich dann als zweites Boot in den tidenabhängigen Hafen Treboul in Douarnenez geschleppt und ab da geht alles irgendwie recht schnell. Die Stunden fliegen vorbei mit letzten Gesprächen mit anderen Skippern und Freunden, Interviews und allerletzten Vorbereitungen an Bord. Als wir um 13 Uhr zum Start rausgeschleppt werden und mein Lied aus den Lautsprechern ertönt wirkt alles recht surreal doch ich bin froh recht früh draussen zu sein und Zeit zu haben mich an die Bedingungen zu gewöhnen.
Die letzte Stunde vor dem Start geht schnell vorbei, das Feld ist recht eng an die Küste gedrängt und die vielen Begleit- und Zuschauerboote sorgen für noch mehr Verkehr, teilweise ziemlich unübersichtlich. Das führt dazu dass in den letzten zwei Minuten vor dem Start mir zwei Boote nicht die Vorfahrt gewähren können die ich eigentlich bekommen sollte und ich ziemlich aufwändig Halsen muss, als der Startschuss ertönt bin ich noch dabei meine Fock zu setzen. Das geht ja gut los…
Der Kurs zur ersten Tonne läuft nicht so gut für mich und als 4-letztes Schiff nähere ich mich der gelben Aufblastonne an der sich Axel Trehin mit seinem Schwenkkiel eingehakt hat. Als ich ankomme ist er gerade losgekommen und ich kann die Tonne in 1m Abstand runden, die folgende Kreuz zur 2. Tonne mache ich gut und schon bin ich wieder im Mittelfeld angekommen. Es folgt ein kurzer Vorwindkurs bevor wir dann die lange Kreuz aus der Bucht von Douarnenez antreten.
Der Sonntag ist geprägt von einer Flaute die uns den Großteil des Tages festhält, das Feld zieht sich massiv auseinander weil einige auf einen extremen Westkurs setzen während andere – wie ich – etwas moderater nach Südwesten halten. Montag bin ich den Großteil des Tages allein, nachmittags zieht die erste Kaltfront durch, es frischt auf 20-25kn auf und ich kann erst mit Medium Spi und dann mit “Sturm-Spi” (Code5) in 4 Stunden 45 Meilen loggen, also einen Schnitt von 10-11kn fahren. So langsam fängt es an sich wie eine Langstrecke anzufühlen…
Die Nacht und der folgende Tag ist von Segelwechseln geprägt: Upwind und Reachen mit Groß und Fock, dann Code0 reachen, Code5, Medium Spi, dann zieht wieder ein Regenschauer heran der 25-30kn und sintflutartigen Wind bringt, also Segel wieder verkleinern. Nach 30 Minuten ist der Spuk vorbei und es geht von vorne los. Doch wir können im Dunst die spanische Küste sehen und die Anspannung sinkt mit jeder Meile die wir uns dem Cap Finisterre nähern.
In der Nacht zu Mittwoch ist es soweit und wir lassen Cap Finisterre links liegen, vor dem Wind fahren wir mit großem Spi und es ist das erste Mal Nachts nicht wirklich kalt.
Mittwoch dreht der Wind auf und ich halse noch einmal in Richtung portugiesische Küste um von der Beschleunigung zu profitieren, bekomme aber etwas mehr Wind als bestellt. Der Tag wird sehr anstrengend: erst noch mit Medium Spi, später dann mit Code5 surfen wir die 3-4m (teilweise 5m) hohen Wellen herunter, regelmäßig verschwinden Bugspriet und der Bug in den Wassermassen. Der Wind nimmt teilweise auf 36kn zu und als erst die Klemme meiner Tackline und später der Block der Tackline am Bugspriet versagt beginne ich mir ernsthaft Sorgen um das Material zu machen.
Nach 7h steuern von Hand nehme ich um 21 Uhr den Spi herunter und fahre mit Groß und Fock weiter. Ein großer Fehler wie sich später zeigt denn ich fahre zu defensiv und verliere auf die Konkurrenz. Außerdem will ich mir die Optionen offen halten und fahre parallel zur Küste anstatt den guten Wind für ein wenig Weg nach Westen zu nutzen.
Die nächsten Tage gleichen sich alle ziemlich, unter verschiedenen Spis fahren wir bei grauem Himmel und Wind von 5 bis 20kn unser eigenes Rennen. Kein Kontakt zu Konkurrenz oder Begleitbooten, nur das eine oder andere Containerschiff begegnet mir.
Nur ein einzelner Vorfall sei noch zu erwähnen: Als Gibraltar querab liegt und es Abends bereits zu dämmern beginnt bin ich unter Deck, der Pilot steuert uns mit 9-11kn unter großem Spi, da höre ich auf einmal den Spi im Wind flattern. Ich haste an Deck und stelle fest dass der Schäkel der Tackline aufgegangen ist und das Segel nur noch Schot und Fall hängt. Leider versucht der Pilot auf den veränderten Druck zu reagieren und als ich nach vorne schaue sehe ich wie sich der Spi bereits mehrfach um das Vorstag gewickelt hat. Am Bug stelle ich fest dass der Spi es geschafft hat sich teilweise zwischen Vorstag und dem Fockfall durchzuwickeln, teilweise aber auch um beide herum zu wickeln. Das Ergebnis sind zwei massive Knoten, einer unten am Bug und einer oben am Mast.
Auf dem Bugkorb balancierend (angeleint) schaffe ich es nach ca. 30 Minuten den Spi zu entwirren doch das ist leider nur der untere Teil, der Spi hängt immer noch am Vorstag auf 3/4 der Masthöhe fest. Ich zerre und hänge mich mit dem Gewicht an den Spi doch er bewegt sich kein Stück.
Es wird dunkel und so wie der Spi immer noch schlägt bin ich mir nicht sicher ob er die Nacht überstehen würde. Außerdem sind wir so nicht gerade schnell.
Also lege ich mein Klettergeschirr an und klettere mit meiner Stirnlampe und einem “Puncher” bewaffnet am Fractional Fall den Mast hoch. Das Boot läuft nur unter Groß auf einem tiefen Reach doch die Wellen schütteln uns ordentlich durch und ich ziehe mir einige blaue Flecken vom Mast, Wanten und Salingen zu. Als ich endlich das obere Ende des Vorstags erreiche und mir den Spi anschaue der GAU: meine Stirnlampe ist leer und geht aus. Ich lache laut vor mich hin, so obskur ist die Situation dass das genau jetzt passiert. Doch das Topplicht vom Mast ist hell genug so daß ich den Spi vom Fall aushaken und entwirren kann. Als ich zurück an Deck bin stelle ich fest dass ich fast 1.5h im Mast unterwegs war.
Todmüde setze ich noch schnell den mittleren Spi, dann verschwinde ich unter Deck um in 20-Minuten Etappen einige Stunden zu Schlafen.
Der Empfang am Steg ist grandios, alle Skipper warten auf dem Steg und applaudieren als ich mein Bier in Empfang nehme. Wie sich herausstellt bin ich genau rechtzeitig zur abendlichen Party gekommen und so wird es bis in die Morgenstunden dauern bis ich an Bord einschlafe.
Obwohl ich keine größeren Schäden zu vermelden hatte so gab es in den letzten Wochen doch wieder einiges an Bord zu tun, u.a.:
– Dyneema-Verstärkungen gegen Schamfilen auf diverse Leinen genäht:
– Achterholer des Bugspriets
– Tackline
– Baumniederholer
– Technora-Verstärkungen für besseren Halt in der Klemme auf diverse Leinen genäht:
– Fractional Fall
– Achterholer des Bugspriets
– Bugspriet-Niederholer
– Mastdurchführung neu abgedichtet
– 80 Liter Wasser vom Supermarkt an Bord gebracht
– Überbleibsel der 1. Etappe in neue Essenspakete umgepackt
– Essen der 2. Etappe vervollständigt und kontrolliert
– Wegepunkte der kanarischen Inseln und der Antillen erstellt und programmiert
dazu die normalen Kontrollen (Mastkontrolle, Ruderblätter und Kiel), Winschen gewartet, alle Blöcke gespült und geölt.
Und zu guter Letzt das tägliche Ritual das Boot abzutauchen und sauber zu wischen.
Die kommenden zwei Tage vor der 2. Etappe sind jetzt wie immer dem Wetter und der Taktik gewidmet, dann geht es am Samstag endlich los: über den Atlantik!